Jedermannspflicht (Artikel 6b)
Aufgrund der in Art. 6b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 beschriebenen (und auch in vielen anderen EU-Sanktionsregimen enthaltenen) „Jedermannspflicht“ sind natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen („Jedermann“) verpflichtet, Informationen, die die Umsetzung der Sanktionsverordnung erleichtern, insbesondere Hinweise auf potentielle Sanktionsverstöße, den zuständigen Behörden zu übermitteln und so das Informationsbild der Behörden zu ergänzen. Ausgenommen von dieser Hinweispflicht ist die durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der EU geschützte vertrauliche Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten. Weitere Ausnahmen für sonstige Berufsgruppen sind für Art. 6b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nicht vorgesehen.
Besonders bedeutsam sind Hinweise zur effektiven Bekämpfung russischer Beschaffungsaktivitäten / warenverkehrsbezogener Sanktionsumgehungen: Hinweise auf potentielle russische Mittelspersonen, Briefkastenfirmen, Beschaffungswege und sonstige Risikoindikationen/sog. „red flags“ fließen in die behördlichen Risikodatenbanken ein und können Grundlage weiterer nachrichtendienstlicher oder strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen gegen die russischen Beschaffer und ihre Gehilfen sein.
Wie erfolgt die Meldung?
- Zuständige Behörde für die Entgegennahme von Informationen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Melderegister-Sanktionen[at]bafa.bund.de), soweit Güter und güterbezogene Dienstleistungen betroffen sind. Für Informationen betreffend Gelder, Finanzmittel oder Finanzhilfen ist die Bundesbank (sz.finanzsanktionen[at]bundesbank.de) zuständig.
- Von der Hinweispflicht werden alle Informationen erfasst, die die Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in der jeweils geltenden Fassung erleichtern. Sie umfasst sachdienliche Informationen über Sanktionsverstöße und -umgehungen sowie über versuchte Verstöße oder Umgehungen der in der Verordnung festgelegten Verbote. Die Hinweispflicht entsteht mit Kenntniserlangung einer sachdienlichen Information. Hierzu gehört insbesondere positive Kenntnis über Sanktionsverstöße wie beispielsweise konkrete Beschaffungsversuche oder sanktionswidrige Handelsbeziehungen. Den Hinweispflichtigen obliegt dabei keine Recherchepflicht im Hinblick auf die Substantiierung der Informationen. Die Informationen sollten aber eine gewisse Qualität aufweisen, die den Behörden weitergehende Ermittlungen erlauben. Bloße unsubstantiierte Vermutungen, die bei objektiver Betrachtung keine weiteren Überprüfungen ermöglichen, können nicht als sachdienlich im oben genannten Sinne angesehen werden. Des Weiteren besteht keine Verpflichtung, Informationen weiterzugeben, die das Risiko einer Strafverfolgung gegen sich selbst oder einen nahen Angehörigen begründen könnten.
- Der Hinweis muss innerhalb von zwei Wochen nach Erlangung der Information erfolgen.
- In Anwendung der Klarstellung in Erwägungsgrund 36 der Änderungsverordnung (EU) 2025/395 besteht in Fällen, in denen Sanktionsverstöße auf Grundlage der Richtlinie (EU) 2015/849 an die Financial Intelligence Unit gemeldet werden, keine Verpflichtung, dieselben Informationen anderen zuständigen Behörden als den zentralen Meldestellen zu melden. Die ordnungsgemäße Meldung gegenüber der Financial Intelligence Unit erfüllt damit zugleich auch die jeweilige sanktionsrechtliche Meldepflicht unter den im vorstehenden Absatz aufgezählten Meldepflichten. Eine zusätzliche Meldung an BAFA und/oder Bundesbank ist somit entbehrlich, gleichwohl Meldeverpflichteten aber weiterhin unbenommen.
Wozu dient die Meldung?
BAFA und die Bundesbank nehmen die Meldungen nach der „Jedermannspflicht“ per Mail über die oben genannten Postfächer entgegen. Bei substantiiertem Inhalt leitet BAFA die Meldung an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiter (z. B. Zollkriminalamt), die in eigener Zuständigkeit ermitteln. So haben Meldungen nach der „Jedermannspflicht“ bereits zu Ermittlungsverfahren beitragen können. In der Regel erhält das BAFA jedoch keine Kenntnis darüber, ob Ermittlungen eingeleitet werden und wie diese ausgehen. Daher bitten wir von entsprechenden Nachfragen beim BAFA abzusehen.
Worauf sollte bei der Meldung geachtet werden?
Zur effizienten Bearbeitung ist es hilfreich, wenn die folgenden relevanten Informationen, soweit bekannt, direkt im Emailtext enthalten sind:
- konkrete Informationen zum betroffenen Unternehmen (z. B. mit Angabe des Unternehmenssitzes),
- konkrete Informationen zum Empfänger bzw. Endverwender (wenn es einen spezifischen Empfänger oder Endverwender gibt) bzw. zu evtuell beteiligten Personen oder Unternehmen und
- welche Güter betroffen sind.
Anhänge mit weiteren Informationen können ebenfalls hilfreich sein. Eine individuelle Rückmeldung zu den Hinweisen ist nicht möglich. Der Eingang der Meldung wird automatisiert bestätigt.
Bemühensklausel (Artikel 8a)
Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen sind gemäß Art. 8a verpflichtet, nach besten Kräften sicherzustellen, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben.
In Erwägungsgrund 29 und 30 der Verordnung (EU) 2024/1745 vom 24. Juni 2024 sowie in den von der Europäische Kommission am 22. November 2024 veröffentlichen FAQs („Best Effort“ Obligation, PDF in Englisch) finden sich weitere Informationen zum „Bemühen nach besten Kräften“.
Bitte beachten Sie, dass das BAFA für die Auslegung und Überwachung der sog. „Bemühensklausel“ nicht zuständig ist und dementsprechend auch keine Fragen hierzu beantworten kann.
Verbot der Umgehung (Artikel 12)
Gemäß Art. 12 der Russland-Embargoverordnung ist es verboten, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen die Umgehung der in dieser Verordnung vorgesehenen Verbote bezweckt oder bewirkt wird, auch wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten dieser Zweck oder diese Wirkung nicht absichtlich angestrebt wird, es aber für möglich gehalten wird, dass sie diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen wird.
No-Russia-Klausel (Artikel 12g)
Mit Art. 12g werden Unternehmen verpflichtet, in ihren Verträgen über die Ausfuhr bestimmter Güter in Drittländer eine Klausel zu vereinbaren, die die Wiederausfuhr nach Russland bzw. zur Verwendung in Russland vertraglich untersagt.
Dies gilt für Güter der Anhänge XI, XX, XXXV der Verordnung (EU) 833/2014, Güter gemäß der Liste in Anhang XL der vorgenannten Verordnung, sowie Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der EU-Verordnung 258/201.
Von der Verpflichtung sind die in Anhang VIII aufgeführten Partnerländer ausgenommen.
Ausführer sollen sicherstellen, dass die Vereinbarung mit dem Vertragspartner aus dem Drittland für den Fall eines Verstoßes gegen die geschlossene vertragliche Verpflichtung angemessene Abhilfemaßnahmen enthält. Verstößt der Vertragspartner aus dem Drittland gegen diese eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen, haben die Ausführer die zuständige Behörde hierüber zu unterrichten, sobald ihnen der Verstoß bekannt wurde.
Eine Ausnahme von der Aufnahme der No-Russia-Klausel besteht für öffentliche Aufträge, die mit einer Behörde in einem Drittland oder einer internationalen Organisation abgeschlossen wurden (Art. 12g Abs. 2a). Ein Antrag beim BAFA zur Inanspruchnahme dieser Ausnahme ist nicht erforderlich. Ausführer sind vielmehr verpflichtet, das BAFA über jeden von ihnen geschlossenen Auftrag, für den die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen wurde, innerhalb von 2 Wochen nach dessen Abschluss zu melden. Darunter ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem nach Zuschlagserteilung der Vertrag mit dem jeweiligen öffentlichen Auftraggeber im Drittstaat geschlossen wird.
Die Meldung ist über das elektronische Antragsportal ELAN-K2 als sonstige Anfrage einzureichen und sollte folgende Angaben beinhalten: Rechtsgrundlage (Art. 12g Abs. 2b VO (EU) Nr. 833/2014), der Vertragspartner, d. h.t Behörde im Drittland oder Internationale Organisation, mit der der öffentliche Vertrag abgeschlossen wird, sowie der Vertragsgegenstand: Gut nach Abs.1, das den Anwendungsbereich der Vorschrift ausgelöst hat.
Bitte beachten Sie, dass das BAFA im Übrigen für die Auslegung und Überwachung dieser sog. „No-Russia-Clause“ nicht zuständig ist und dementsprechend auch keine Fragen hierzu beantworten kann. Nähere Informationen finden Sie in den FAQs der Europäischen Kommission („No re-export to Russia“ clause, PDF in Englisch).
Risikomanagement (Artikel 12gb)
Im Falle von besonders kriegsrelevanten Gütern des Anhang XL sowie in Anhang XLVIII aufgeführte Güter sieht Art. 12gb der Russland-Embargoverordnung vor, dass Wirtschaftsbeteiligte über bestimmte Mechanismen zur Risikoanalyse und Risikominimierung verfügen müssen. Danach ist wie folgt vorzugehen:
- Sie unternehmen zur Ermittlung und Bewertung der Risiken der Ausfuhr nach Russland und der Ausfuhr zur Verwendung in Russland von solchen Gütern oder Technologien geeignete Schritte, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen, und stellen sicher, dass diese Risikobewertungen dokumentiert und auf dem neuesten Stand gehalten werden.
- Sie setzen zur Minderung und zum wirksamen Management der Risiken der Ausfuhr nach Russland und der Ausfuhr zur Verwendung in Russland von solchen Gütern oder Technologien geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren um, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen, unabhängig davon, ob diese Risiken auf ihrer Ebene oder auf Ebene des Mitgliedstaats oder der Union festgestellt wurden.
Es ist zudem sicherzustellen, dass auch außerhalb der Union niedergelassene Tochterunternehmen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, diese Anforderungen erfüllen.